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Die Interview-Aussage der deutschen Bundeskanzlerin, der „Herrgott“ habe uns „diese Aufgabe“ – das Flüchtlingsproblem – „auf den Tisch gelegt“, wurde als „ein gespenstischer Ausflug in die Theokratie“ (Deutsche Wirtschaftsnachrichten) und Hinweis auf eine „heilsgeschichtliche Mission“ (FAZ) gedeutet. Das liegt näher an der Wahrheit, als die Urheber solcher Spitzen selber annehmen. Um die Logik zu erschließen, die Merkels Handeln zugrunde liegt, muß man den „Herrgott“-Satz mit einer weiteren verunglückten Äußerung der Kanzlerin kombinieren: „Und das ist die Tatsache, daß wir unter den Bedingungen der Globalisierung, unter den Bedingungen von Bürgerkriegen, von schwierigen Situationen einfach sehr, sehr viele Flüchtlinge aufnehmen, von denen viele auch bleiben werden, und das ‘Sollen’ ist sehr stark.“ 

In der DDR hieß das: „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit“, wobei letztere materialistisch statt göttlich determiniert war. Sie leitete sich aus der gesetzmäßigen Entwicklung vom Kapitalismus zum Sozialismus ab, die zu bezweifeln einen zum Staatsfeind stempelte. Für Merkel besitzen die aktuellen Formen der Globalisierung samt Masseneinwanderung eine vergleichbare Evidenz. Aus dieser Perspektive – und nicht aus dem Blickwinkel der Innen- oder Parteipolitik – besitzt ihre Politik eine bestechende Stringenz.

Sie hat das Konzept, das sie mit somnambuler Sicherheit exekutiert, nicht entworfen und kann es auch nicht darstellen. Das übernehmen andere wie der Globalisierungsakteur und Multimilliardär George Soros, dessen Open Society Institute die Farb- und Blumenrevolutionen im ehemaligen Ostblock unterstützt hat und der auch zu den Sponsoren des „Arabischen Frühlings“ gehört, der mitursächlich ist für den Flüchtlingsstrom. Dem heute 85jährigen, in Budapest geborenen Soros wird nachgesagt, auch hinter der Organisation „W2EU“ zu stehen, die mit Broschüren und Internetauftritten den Migranten Empfehlungen gibt, wie sie in den EU-Raum gelangen und dort auf angebliche Rechte pochen können.

Die EU soll mehr Migranten aufnehmen und zahlen

Der „Starinvestor“ hat im Juli 2015 deutlich gemacht: „Das Migrationssystem der EU muß erneuert werden, um, getreu den europäischen Werten, einen kollektiven und großzügigen Geist widerzuspiegeln.“ Im September hat er seine Vorstellungen präzisiert. Die Zugangsberechtigung der Flüchtlinge nach Europa steht für ihn außer Frage, den europäischen Staaten kann und darf es ausschließlich um ihre Verteilung und Eingliederung gehen. Deutschland hat die Hauptlast zu tragen, denn entscheidend für die Ansiedlung eines Asylbewerbers soll dessen Wunschland sein. Soros fordert „einen europäischen Plan“, der in „weltweite Maßnahmen“ unter der Leitung der Vereinten Nationen eingebettet ist. Europa soll faktisch eine unter Vormundschaft gestellte Aufnahmeprovinz für globale Wanderungsbewegungen werden. 

Die EU müsse in absehbarer Zukunft mindestens eine Million Migranten jährlich aufnehmen und für jeden 15.000 Euro zur Verfügung stellen. 20 Milliarden Euro müßten für die Flüchtlingslager in Nahost aufgebracht werden und weitere Milliarden zur Unterstützung der Türkei als „Frontstaat“ sowie zur wirtschaftlichen Stabilisierung Tunesiens und Marokkos. Der „nächste logische Schritt“ sei die Einrichtung von Korridoren nach Europa, „um dadurch die Anzahl der Migranten zu reduzieren, welche die gefährliche Überquerung des Mittelmeeres wagen“. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán erscheint bei Soros als eine Art Feind der Menschheit, weil er die Menschenrechte der Migranten mißachte und die EU zu teilen und zu zerstören drohe.

Das läßt sich nicht als Meinungsäußerung eines Privatmannes abtun, denn Soros betreibt, wie gesagt, aktiv Politik. Seine Ausführungen lesen sich wie die Aktualisierung und Konkretisierung globalstrategischer Entwürfe, wie man sie beispielsweise von Thomas Barnett kennt. Der Harvard-Absolvent, Neocon, ehemalige Professor an der Kriegsakademie der US-Marine und Berater von  Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wird in den deutschen Medien kaum wahrgenommen, obwohl er die berühmt-berüchtigte „Neue Weltkarte des Pentagon“ verfaßt hat. Seine Bücher sind nicht ins Deutsche übersetzt, lediglich die Blätter für deutsche und internationale Politik druckten 2003 eine Kurzfassung seiner „Weltkarte“ ab, die nochmals 2008 im Sammelband „Quo vadis, Amerika? Die Welt nach Bush“ nachgedruckt wurde.

Amerika als Modell und Vorbild für die Welt

Für diesen „Clausewitz der Globalisierer“ hat der 11. September 2001 eine neue – in seiner Zählung die vierte – Stufe der Globalisierung eingeleitet. Im Zeitalter der asymmetrischen Kriege gehen die größten Bedrohungen von nichtstaatlichen Akteuren aus, die mittels Computer, Kleinwaffen und Internet weltweit terroristisch tätig werden können. Um maximale Sicherheit zu gewährleisten, müßten die Länder sich zu einem Netz gegenseitiger Abhängigkeiten verknüpfen und einen Regelkanon aus Demokratie, Transparenz und freiem Handel miteinander teilen, der Wohlfahrt, Freiheit und ein friedliches Miteinander gewährleistet. Die Staaten, die bereits dazugehören, nennt Barnett die „Kernländer“ (Core). Wer sich der Vernetzung entzieht, eröffnet eine „Lücke“ („Gap“), er sorgt für Armut, Unterdrückung und Aggressivität und stellt ein Sicherheitsrisiko dar. Zu den Core-Ländern zählen die USA, Rußland, Europa, Japan, China, Australien, Indien etc., zu den Gap-Staaten die Karibik, der Balkan, Afrika, der Nahe Osten usw..

Amerika ist laut Barnett das Modell und Vorbild der Vernetzung, die Globalisierung sei „Amerikas Geschenk an die Welt“. Man dürfe nicht zulassen, daß der „Endsieg der Globalisierung“ durch gewaltbereite Gap-Kräfte gefährdet würde. Amerika stehe dafür ein, daß aus dem „We the people“ (Wir, das Volk) der US-Verfassung ein „We the planet“ (Wir, die ganze Erde) erwachse. Das politische Interesse der USA, sich als unumschränkte Führungsmacht zu verstetigen, geht also mit dem chiliastischen Anspruch auf Menschheitserlösung einher. Wer das als „Zwangsamerikanisierung“ bezeichnet, kann nur ein Rassist und Feind der Menschheit sein.

Die Vernetzung besteht aus vier Hauptelementen: aus dem freien Fluß von Einwanderern, von Erdöl und Erdgas, von Krediten und Investitionen (inklusive dem Rückfluß von Profiten) sowie dem ungehinderten Zugang amerikanischer Sicherheitskräfte weltweit. „(...) zeigen Sie mir einen Teil der Welt, wo der Frieden sicher ist, und ich zeige Ihnen enge oder sich vertiefende Beziehungen zwischen den dortigen Streitkräften und dem US-Militär.“ Das bedeutet, daß sowohl im vernetzten wie im unvernetzten Raum ein ständiges Interventionsrecht der USA besteht.

Die Globalisierung ist ein dynamischer Prozeß. Die Ausweitung der Core-Zone kann durch militärisches Eingreifen, aber auch auf friedlichem Wege erfolgen. Das Palästina-Problem rührt für Barnett aus der fehlenden Vernetzung der Palästinenser her, die sie in Hoffnungslosigkeit verharren und ihren Groll gegen Israel – laut Merkel ein Teil der deutschen Staatsräson – pflegen läßt. Ein „total vernetzter Mensch“, der über „die Freiheit der Entscheidung“ verfügt, könne „den Wohnort, den Arbeitsplatz und den Beruf wechseln und für sich und seine Familie bessere Lebensbedingungen schaffen“. Das impliziert die Frage: Warum nicht in Europa?

Total vernetzt heißt aber auch: bindungslos, entwurzelt, das Leben unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Für Barnett ist das kein Problem, sondern der Universalschlüssel zur Lösung der Probleme. Die europäischen Nationalstaaten können für ihn gar nichts anderes sein als sentimentaler, fortschritts- und globalisierungsfeindlicher Plunder. Von Europa erwartet er, daß es seine Schleusen öffnet für jährlich 1,5 Millionen Menschen aus den Gap-Staaten. Das „Alte Europa“ sei ohnehin „längst tot und kann nicht wiedererweckt werden“.

Die Wurzeln der Neocons liegen bei Karl Marx

Die Welt von morgen schwebt ihm als eine multikulturelle Freihandelszone vor. Die Staaten sind nur noch Verwaltungseinheiten, durch die Waren-, Kapital- und Menschenströme fließen, die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Angleichung sorgen. Die vernetzte ist keine herrschaftsfreie Welt. Die Macht liegt bei denen, die neben der militärischen auch die Kontrolle über die Kommunikations- und Handelswege, die Datenarchive, über Arkanwissen und die globale Begriffsbildung besitzen. Der Politologe George Friedman, ein anderer, ebenfalls in Budapest geborener amerikanischer Globaldenker, hat in dem Buch „Die nächsten hundert Jahre“ (2009) auf die simple Tatsache hingewiesen, daß das US-Militär heute jedes Schiff auf den Weltmeeren auf dem Schirm hat und darüber entscheidet, ob es weiterfährt oder nicht. Ein Modell, das auf andere Bereiche übertragen werden kann.

Die Wurzeln der Neocons liegen in der marxistischen und trotzkistischen Linken. Karl Marx hatte im „Kommunistischen Manifest“ die Beseitigung aller historischen Bindungen, Traditionen und Grenzen durch den Kapitalismus gefeiert, weil das für ihn die Voraussetzung für die weltweite Gemeinschaft freier Menschen war. 150 Jahre später soll die Marxsche Freiheitsutopie in der vulgären Version globaler Menschenmodule ihre Verwirklichung finden. Dieses Sollen ist in der Tat sehr stark!

Merkel braucht gar nicht mit den Schriften von Barnett & Co. unterm Kopfkissen einzuschlafen. Auf die Rolle, die ihr in deren Drehbüchern zukommt, hat ihr untrüglicher Machtinstinkt sie ganz von allein gebracht.

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