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Ein wichtiges städtebauliches Leitbild nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die autogerechte Stadt. In der autogerechten Stadt sollten sich alle Planungsmaßnahmen dem ungehinderten Verkehrsfluss des Autos unterordnen, das damit zum neuen Maß aller Dinge wurde. Vor allem sollte dies in Verbindung mit klaren Flächenzuweisungen und einer Nutzungsentmischung erfolgen.

Ursprünglich umfasste die Idee einer autogerechten Stadt, wie beispielsweise im 1959 veröffentlichten Buch „Die autogerechte Stadt. Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos” des Stadtplaners Hans Bernhard Reichow beschrieben, weitaus mehr als eine Ausrichtung der Planung am motorisierten Individualverkehr bei gleichzeitiger Unterordnung nicht-motorisierter Verkehrsträger.

Vielmehr verfolgte er das “Ideal einer durchgrünten Siedlung am Stadtrand, die durch Beruhigung und Eindämmung des zunehmenden Verkehrs die sich abzeichnenden Probleme der Massenmotorisierung vermeiden sollte. Zu seinen praktischen Forderungen gehören die Trennung von Fußwegen und Autostraßen, ein kreuzungsfreies und knotenarmes Verkehrsnetz, die Vermeidung von Verkehrsschildern und Ampeln, Ruhe und Zurückgezogenheit als zentrale Wohnqualitäten.” (Quelle)

In Realität ergab sich jedoch der Bau mehrspuriger Hauptverkehrsstraßen durch und um die Städte, von Unterführungen für den Fuß- und Radverkehr, Parkhäusern im Innenstadtbereich und Tunnelanlagen für den öffentlichen Nahverkehr.  Meistens verbunden mit erheblichen Eingriffen in vorhandene Bausubstanz und historisch gewachsene Stadtstrukturen.

Bei den Planungen wurde jedoch häufig der Mensch aus dem Blick verloren. Die starke Fokussierung auf den motorisierten Individualverkehr erzeugte eine Vielzahl von Problemen, die auch heute noch existent sind: eine hohe Belastung mit Feinstaub und anderen Luftschadstoffen, Lärm, hohe Gesundheitskosten, die Gefährdung von schwachen Verkehrsteilnehmern wie Fußgänger und Radfahrer, ein hoher Flächenverbrauch, eine hohe Trennwirkung durch breite sowie stark befahrene Straßen und Verkehrswege, teure Instandhaltungskosten für das Straßennetz und die Tunnel, welche für die Trennung des MIV und ÖPNV errichtet wurden, eine starke Erdölabhängigkeit, Bewegungsmangel, Zersiedelung und hohe Mobilitätsausgaben, eine hohe Abhängigkeit vom Pkw als Garant für soziale Teilhabe einhergehend mit einem wachsenden sozialen Ungleichgewicht, ein hoher volkswirtschaftlicher Schaden durch Stauzeitverluste, Zerstörung von Einzelhandelsstrukturen durch das Entstehen von großen Einkaufszentren auf der grünen Wiese, usw.

Anhand der Vielfalt und dem Umfang der vorhandenen Probleme ist es sehr wohl diskussionswürdig, ob unsere Städte heute noch funktionieren und in Zukunft noch funktionieren werden.

Das Beruhigende ist jedoch, dass Städte niemals “fertig” sein werden, sondern einem steten Wandel unterworfen sind. In einer vernetzten Welt haben Städte die einmalige Chance von den Erfahrungen anderer Städte zu lernen und Fehler zu vermeiden (Im Video: Kanada und Kolumbien). Denn das Ideal einer autogerechten Stadt ist mittlerweile dem Ideal einer menschengerechteren Stadt gewichen. Es ist nun an der Zeit, dieses Ideal auch umzusetzen.

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Quelle:

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